Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit junger Menschen

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit junger Menschen im europäischen Vergleich

Luxemburger HBSC-Team beteiligt an vier neuen Berichten für die Europäische Region der WHO 2021/2022

Caroline Residori, Moritz Höpner

Welche Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit junger Menschen in Europa es gab, können Forschende dank vier neuer Berichte der WHO-PartnerstudieHealth Behaviour in School-Aged Children“ (kurz: HBSC) nun wissenschaftlich belegen. Der luxemburgische Zweig von HBSC ist am Centre for Childhood and Youth Research der Universität Luxemburg angesiedelt und spielte bei der Veröffentlichung der Berichte eine führende Rolle:

Die Forschenden aus Luxemburg entwickelten die nötigen Messskalen für die Datenerhebung, stellten Länderdaten für Luxemburg zusammen und verfassten thematische Berichte, die die 22 Länder innerhalb der international angelegten HBSC-Forschungsgruppe abdecken.

In Bezug auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit junger Menschen, untersuchen die Berichte die Variablen Alter, Geschlecht und soziale Herkunft, analysieren die Effekte von Schulschließungen und von sozialer Unterstützung für Jugendliche, und schauen auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen. Die WHO hat diese Reihe von Berichten nun veröffentlicht. Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Gesundheit junger Menschen in der Europäischen Region der WHO können nun auf der Grundlage der Daten der jüngsten Erhebungsrunde 2021/2022 dargestellt werden.

Alter, Geschlecht und soziale Herkunft

Anhand einer von ihr mitentwickelten Messskala haben Dr. Caroline Residori (Centre for Childhood and Youth Research, CCY) und ihre Mitautor*innen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf junge Menschen für die Variablen Alter, Geschlecht und soziale Herkunft untersucht.

Auf internationaler Ebene betrafen die negativen Auswirkungen vor allem die psychische Gesundheit, die körperliche Aktivität und die schulischen Leistungen. Die positiven Auswirkungen betrafen die Beziehungen zu Familie und Freunden. Mädchen, ältere Jugendliche und Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien berichteten am seltensten über positive Auswirkungen in den meisten Bereichen ihres Lebens.

In Luxemburg schnitten die jungen Menschen insgesamt besser ab als im Durchschnitt der 22 untersuchten Länder: Der Anteil der jungen Menschen in Luxemburg, die positivere Auswirkungen der COVID-19-Pandemie erlebten, war in der Regel höher als in mehr als der Hälfte aller anderen 22 Länder. Allerdings gab es erhebliche Unterschiede in den Auswirkungen der Pandemie auf Jugendliche in Luxemburg je nach Alter, Geschlecht und sozialer Herkunft:

Geschlecht

Für Luxemburg zeigen die Daten der aktuellen Erhebungsrunde, dass Mädchen in den meisten Bereichen ihres Lebens häufiger als Jungen über negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie berichteten. Mädchen in Luxemburg berichteten auch seltener über positive Auswirkungen; deutlich seltener als der Durchschnitt der 22 untersuchten europäischen Länder.

Mädchen waren stärker von der COVID-19-Pandemie betroffen.

Alter

Für Luxemburg zeigen die Daten der aktuellen Erhebungsrunde, dass Jugendliche im Alter von 15 Jahren in den meisten Bereichen ihres Lebens seltener als Jugendliche im Alter von 11 bis 13 Jahren über positive Auswirkungen der COVID-19-Pandemie berichten. Im Vergleich zu den Unterschieden im Mittelwert der 22 Länder ist der Unterschied zwischen der jüngeren und der ältesten untersuchten Altersgruppe in Luxemburg größer.

Soziale Herkunft

Für Luxemburg zeigen die Daten der aktuellen Erhebungsrunde, dass Jugendliche aus einkommensschwachen Familien in den meisten Bereichen ihres Lebens häufiger über negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie berichteten als ihre Altersgenoss*innen. Sie berichteten auch seltener über positive Auswirkungen. Im Vergleich zum Durchschnitt der 22 Länder ist das soziale Gefälle bei den wahrgenommenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Luxemburg stärker ausgeprägt.

Mädchen, ältere Jugendliche und Personen aus weniger wohlhabenden Familien erlebten während der COVID-19-Pandemie mehr negative Auswirkungen.

Schulschließungen

Joana Lopes Ferreira (Centre for Childhood and Youth Research) ist Mitautorin der WHO-Studie „Navigating unchartered territory“ über die Auswirkungen von Schulschließungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auf junge Menschen.

Auf internationaler Ebene gab fast die Hälfte der Jugendlichen an, etwas oder viel Druck in der Schule zu verspüren, wobei diejenigen, die mehr Schulschließungstage hatten, dies mit größerer Wahrscheinlichkeit berichteten. Die Schulschließungstage standen nicht im Zusammenhang mit den wahrgenommenen Auswirkungen auf die schulischen Leistungen oder die Freude an der Schule.

In Luxemburg schnitten die jungen Menschen insgesamt besser ab als im Durchschnitt der 22 untersuchten Länder: In Luxemburg gab es relativ wenige Tage mit vollständiger Schulschließung (49 Tage im Vergleich zu einem Mittelwert von 138 Tagen für 22 Länder laut WHO PHSM).

Eine ausführliche Untersuchung der Schulschließungen findet sich im WHO-Bericht von Elgar, Frank J., Lahti, Henri, Ferreira Lopes, Joana, Melkumova, Marina & Blitz, Ludwig. (2023) oder in der einseitigen Zusammenfassung.

Soziale Unterstützung für Jugendliche

In ihrem Bericht „A network of care“ untersuchten Charli Erikkson (Karolinska Institutet, Stockholm) und seine Kolleg*innen die Bedeutung der sozialen Unterstützung für Jugendliche in der Europäischen Region der WHO während der COVID-19-Pandemie.

Auf internationaler Ebene wurde die Unterstützung durch die Familie am stärksten mit den wahrgenommenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Verbindung gebracht, gefolgt von der Unterstützung durch Lehrkräfte und Klassenkamerad*innen und am wenigsten durch Freund*innen.

In Luxemburg (wie auch in 13 anderen Ländern) verzeichneten Jugendliche mit positiv wahrgenommenen Auswirkungen der Pandemie eine höhere Verbreitung von hoher sozialer Unterstützung in allen vier Bereichen: Freund*innen, Familie, Klassenkamerad*innen und Lehrkräfte.

Im Vergleich zum Mittelwert der 22 Länder sind die Unterschiede in den wahrgenommenen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie bei den Jugendlichen in Luxemburg, die ein hohes bzw. niedriges Maß an sozialer Unterstützung durch ihre Familie angaben, stärker ausgeprägt.

Eine ausführliche Untersuchung der sozialen Unterstützung für Jugendliche findet sich im WHO-Bericht von Erikkson, Charli, Boniel-Nissen, Meyran, Lyyra, Nelli, Moor, Irene, Paakkari, Leena. et al. (2023) oder in der einseitigen Zusammenfassung.

Psychische Gesundheit und Wohlbefinden

In ihrem Bericht „Coping through crises“ untersuchten Alina Cosma (Trinity College, Dublin) und ihre Kolleg*innen die Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie und die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen in der Europäischen Region der WHO.

Auf internationaler Ebene berichteten Mädchen in höherem Maße über negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden als Jungen, ebenso wie 15-Jährige im Vergleich zu 11-Jährigen. Jugendliche, die über negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die schulischen Leistungen und die Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen berichteten, bewerteten ihre aktuelle psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden häufiger negativ und berichteten über psychische Beschwerden.

Jugendliche hat die COVID-19-Pandemie belastet: 30% der Jugendlichen beklagen negative Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit.

Im Vergleich zum Durchschnitt der 22 Länder gaben die Jugendlichen in Luxemburg etwas häufiger positive Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden und etwas seltener negative Auswirkungen an.

In Luxemburg gibt es jedoch erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Meldung negativer Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen in Luxemburg, wobei Mädchen fast doppelt so häufig wie Jungen negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden melden.

16% der Jugendlichen berichteten über geringe Lebenszufriedenheit während der COVID-19-Pandemie.

Mädchen in Luxemburg, die über negative Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ihre Beziehungen zur Familie und zu Gleichaltrigen berichteten, gaben häufiger als Jungen ein hohes Maß an psychischen und physischen Gesundheitsbeschwerden an und lagen damit über dem Durchschnitt der Mädchen in den 22 Ländern. Die Jungen in Luxemburg gaben ähnliche Werte an wie der Durchschnitt aller 22 Länder. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Luxemburg gehören zu den größten geschlechtsspezifischen Unterschieden, die in den 22 Ländern festgestellt wurden.

Eine ausführliche Untersuchung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens Jugendlicher findet sich im WHO-Bericht von A. Cosma, M. Bersia, S. Abdrakhmanova, P. Badura & I. Gobina. (2023) oder in der einseitigen Zusammenfassung.

Politische Empfehlungen angesichts der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Gesundheit junger Menschen

Die Erkenntnisse aus diesen Berichten können den politischen Entscheidungstragenden dabei helfen, Maßnahmen zu ergreifen, um die langfristigen Folgen der COVID-19-Pandemie für die am stärksten betroffenen Jugendlichen abzumildern und negative Auswirkungen künftiger Pandemien zu verhindern, indem sie die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in Krisenzeiten einbeziehen. Aus den Berichten der WHO lassen sich einige wichtige Empfehlungen ableiten, die von der Politik berücksichtigt werden sollten:

  • Die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit von Jugendlichen unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen, die den Zugang zu Ressourcen und Unterstützung für die psychische Gesundheit Programme zur Unterstützung der psychischen Gesundheit sollten auf die am stärksten betroffenen Gruppen von Jugendlichen – Mädchen, ältere Jugendliche und solche aus weniger wohlhabenden Familien – zugeschnitten sein. Anderen Gruppen von Jugendlichen sollten die Ressourcen jedoch nicht vorenthalten werden.
  • Die entscheidende Rolle der familiären Unterstützung und anderer Formen der sozialen Unterstützung in Krisenzeiten sollte anerkannt werden und rechtfertigt die Umsetzung von Maßnahmen und Programmen, die ein unterstützendes Umfeld in Schulen, Familien und Gleichaltrigengruppen schaffen. Programme und Initiativen, die Eltern bei der Stärkung ihrer Beziehungen zu ihren Kindern unterstützen, sollten in Betracht gezogen werden.
  • Der Zusammenhang zwischen der Schließung von Schulen und den negativen Auswirkungen der Pandemie legt nahe, dass die Länder in künftigen gesundheitlichen Notfällen mit Schulschließungen vorsichtig umgehen und alternative Maßnahmen in Betracht ziehen sollten, um die zunehmende Belastung der Schulen auszugleichen. Die Lehrkräfte sollten mit den erforderlichen Schulungen und Ressourcen ausgestattet werden, um eine solide Unterstützung der Schüler*innen zu gewährleisten und ein sicheres, integratives Unterrichtsumfeld zu schaffen, selbst in Fällen von Abstandsgeboten und Distanzunterricht.
  • Das soziale Gefälle bei den Auswirkungen der Pandemie legt den Schluss nahe, dass politische Maßnahmen erforderlich sind, die sich mit der Einkommensungleichheit befassen und zusätzliche Unterstützungsangebote für Jugendliche aus weniger wohlhabenden Familien vorsehen, da diese ein höheres Risiko haben, während Gesundheitskrisen negative Auswirkungen zu erfahren.

 

Praktischere und detailliertere politische Empfehlungen finden sich in der Pressemitteilung der WHO Europa.

Über HBSC

Health Behaviour in School-aged Children (HBSC) ist eine von der WHO durchgeführte länderübergreifende Studie über die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen. Die Erhebung wird alle vier Jahre anhand eines Fragebogens zur Selbstauskunft durchgeführt. Der luxemburgische Zweig von HBSC ist am Centre for Childhood and Youth Research der Universität Luxemburg angesiedelt und wird von Dr. Carolina Catunda mitbetreut.

Luxemburg nimmt seit 2006 regelmäßig an der HBSC-Studie teil (2010, 2014, 2018 und 2022). Die interaktive Datenvisualisierung zu HBSC Luxembourg Trends 2006-2022 zeigt die Entwicklung der Schlüsselindikatoren für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen in Luxemburg zwischen 2006 und 2022. Weitere Informationen über HBSC Luxemburg finden Sie unter hbsc.lu

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